Andrej Babis

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Er ist wieder da

Tschechien hat gewählt. Nach geschlagener Wahl befindet sich der Chef des Agrarkonzerns Agrofert, Andrej Babiš, auf dem besten Weg zurück an die Spitze. Das wirft auch Fragen rund um seine unternehmerische Tätigkeit auf.

In Österreichs nördlichem Nachbarland, der Tschechischen Republik, war die Bevölkerung vergangene Woche zur Parlamentswahl aufgerufen. Mit einer in diesem Jahrhundert bisher unerreichten Wahlbeteiligung von beinahe 69 Prozent wählten die Tschechen die rechtspopulistische Ano-Partei (zu deutsch „Ja“) an die Spitze. 34,5 Prozent der Wähler gaben der Ano ihre Stimme. Deren Chef ist Andrej Babiš,, welcher bereits von 2017 bis 2021 als tschechischer Premier fungierte. Das bisherige regierende rechtsliberale Regierungsbündnis Fiala erreichte mit nur 23,4 Prozent nur Platz zwei. Schon vor den Wahlen war Babiš als klarer Favorit gehandelt worden. Ebenso klar schien, dass die Regierungsverhandlungen schwierig verlaufen würden. Den der Ano stehen mit der SPD und der Motoristé potenziell nur zwei rechte Parteien mit teils extrem EU-kritischen Positionen als Koalitionspartner zur Verfügung. Bei Redaktionsschluss deutet vieles auf eine von diesen Parteien geduldete Minderheitsregierung der Ano hin.

Vorwurf des Interessenskonflikts

Bleibt die Frage, was all das mit der Landwirtschaft zu tun hat? Die Antwort ist denkbar einfach, Andrej Babiš ist nämlich nicht nur Politiker, sondern auch Geschäftsführer des Agrar- und Chemiekonzerns Agrofert und Medienberichten zufolge Milliadär. Hierzulande ist der Konzern den Bauern wohl spätestens seit der Übernahme der Borealis-Düngersparte ein Begriff. Agrofert ist in Tschechien eines der größten Unternehmen und unterhält rund 220 Tochterfirmen. Der Konzern kontrolliert laut einem Bericht der Online-Plattform Euractiv weite Teile der nationalen Lebensmittelkette. So beliefert ein Agrofert-Unternehmen etwa als führender Geflügelproduzent sämtliche großen Handelsketten, ein anderes zählt zu den großen Playern am Düngermarkt eines beliefert Bäckereien, ein weiteres ist in Tschechien laut Euractiv „zentraler Anbieter im Bereich Frischmilchprodukte“.

Schon während Babiš vergangener Regierungsperiode sorgte seine trotz Premier-Funktion bestehende Nähe zur Agrofert für Furore. Mehrere Personen mit Nähe zum Konzern übernahmen damals politische Ämter. Auch das Europäische Parlament äußerte Bedenken wegen möglicher Interessenskonflikte. Anfang 2024 entschieden Gerichte, dass EU-Fördergelder an Agrofert zurückgezahlt werden müssen – das Landwirtschaftsministerium in Prag befasst sich derzeit mit deren Rückgabe. Laut einem Bericht von Radio Prag ändert daran auch Babiš Wahlsieg nichts. Der tschechische Landwirtschaftsminister Marek Vyborny hat demnach am Sonntag auf einer Pressekonferenz erklärt, der Prozess der Rückforderung von Subventionen an Firmen der Agrofert-Holding werde fortgesetzt. Der Minister informierte bereits vergangene Woche, dass der Staatliche Investmentfonds für die Landwirtschaft Schritte unternommen habe, um Subventionen zurückzufordern, die den Firmen in den Jahren 2017 bis 2021 gewährt worden seien, obwohl der Besitzer der Holding und damalige Premier Babiš im Interessenskonflikt gewesen sei.

Bevölkerung übt sich in Boykott

Gegenüber Euractiv weist Agrofert derartige Vorwürfe zurück. „Diese Behauptungen entbehren jeder Grundlage“, erklärte ein Sprecher gegenüber dem Medium. Politische Gegner würden versuchen, Agroferts Ruf zu beschädigen.

Indes soll die tschechische Bevölkerung in Teilen versuchen, Agrofert-Produkte im Einkauf zu meiden. Solche Boykottaufrufe gibt es seit 2013, als Babiš Finanzminister wurde und gleichzeitig weiter Agrofert leitete, heißt es. Zur Unterstützung entstanden auch Smartphone-Apps wie „Ohne Andrej“, mit denen sich Produkte im Supermarkt auf Konzernzugehörigkeit prüfen ließen.

Agrofert scheint davon allerdings unbeeindruckt. Man habe „keine Informationen über konkrete Auswirkungen auf den Umsatz“, so der Konzern. Viele Marken seien „traditionelle tschechische Produkte, die Verbraucher seit Jahrzehnten kennen und schätzen“. Zudem erwirtschafte Agrofert inzwischen rund zwei Drittel seiner Erlöse im Ausland, in mehr als 20 Ländern, wird die Holding zitiert.

Vor dem Hintergrund der Konflikt-Vorwürfe wurde im Vorfeld der Wahl auch diskutiert, ob Babiš den Premiersessel dem stellvertretenden Parteichef und ehemaligen Wirtschaftsminister Karel Havlícek überlässt. Ausgang ungewiss.